Seitdem viele Kinder wegen der Pandemie noch mehr Zeit im Internet verbringen, steigt auch die Gefahr, dass sie dort auf Betrügerinnen und Betrüger hereinfallen. So kommt es, dass intime Videos und Bilder an die falschen Leute weitergegeben werden, erklärt die 16-jährige Michaela aus den Philippinen. Deshalb klärt sie Kinder in ihrem Dorf auf, wie sie sich vor dieser Ausbeutung schützen können.
Michaelas Einsatz gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet
Die 16-jährige Michaela faltet ihre Aufklärungs-Plakate zusammen. Es ist fast Mittag. Sie winkt ihren Freundinnen und Freunden zum Abschied zu, mit denen sie gerade eine kurze Diskussion über die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet geführt hat. „Wenn ich nicht für die Schule lerne, teile ich mit anderen Jugendlichen, was ich bei verschiedenen Jugendaktivitäten von World Vision gelernt habe, an denen ich vor der Pandemie teilgenommen habe“, berichtet Michaela und geht in Richtung ihres Hauses, wo ihre Geschwister mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt sind.
Das Internet wird zu einer neuen Form der Gefahr für Kinder und Jugendliche.
Nicht nur auf den Philippinen, wo Michaela wohnt, ist sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Internet ein großes Problem. Weltweit gibt es einen riesigen Schwarzmarkt, über den sexueller Missbrauch von Minderjährigen über Fotos, Videos und Live-Streaming vervielfacht werden. Kinder werden gelockt, Bilder und Videos von sich preiszugeben. Auch scheinbar „harmlose Bilder“ können so missbräuchlich verwendet werden und die Vervielfältigung so in die Intimsphäre der Kinder eindringen. Vielen Kindern und Eltern fehlt das Wissen über Kinderrechte und Kinderschutzmaßnahmen, die solchen Missbrauch unterbinden. Sie wissen auch nicht, wie sie sich schützen können, um nicht in diese Falle zu geraten. Michaela klärt sie daher auf.
Gerade sitzt sie in einer Ecke ihres Wohnzimmers und erklärt: „Heute haben wir über die Online-Sicherheit gesprochen. Die Kinder werden heutzutage so süchtig nach dem Internet, dass sie vergessen, mit ihren Freundinnen und Freunden sowie ihren Familien zu sprechen. Das Internet wird zu einer neuen Form der Gefahr für Kinder und Jugendliche.“
Eine Studie der International Justice Mission (IJM) aus dem Jahr 2020, die Gewalt gegen Kinder auf den Philippinen untersuchte, hat gezeigt, dass sich die Anzahl der Fälle der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet auf den Philippinen innerhalb von drei Jahren mehr als verdreifacht hat: Während im Jahr 2014 nur 43 solcher Internetseiten für die sexuelle Ausbeutung von Kindern genutzt wurden, waren es im Jahr 2017 bereits 149. Die Philippinen sind zu einem globalen Hotspot für sexuelle Ausbeutung von Kindern geworden.
Auch Michaela hat von dieser beunruhigenden Entwicklung über die Ausbeutung von Kindern im Internet gehört, und ist sehr besorgt: „Wenn Erwachsene Kinder dazu ermutigen, online schlimme Dinge zu tun, wird auch die Sicht der Kinder auf sich selbst verzerrt. Die Kinder wachsen in Angst auf und sind nicht mehr in der Lage, ihre wahren Gefühle und Gedanken auszudrücken.“
Sie sagt, dass Kinder meist keine Ahnung davon haben, welche Gefahren im Internet lauern. „Die Kinder wissen nicht, dass ihre Bilder mehrere Personen in verschiedenen Ländern erreichen können. Sicherlich haben ausgebeutete Kinder Angst, aber sie können nichts gegen ihre Situation tun, weil sie einfach nur Kinder sind.“
Schutzmaßnahmen gegen sexuelle Ausbeutung im Internet
Kinder können vor Ausbeutung geschützt werden, wenn sie wissen, was sie online tun sollten und was nicht. Kinder, so Michaela, müssen in der Lage sein, Selbstvertrauen zu entwickeln, damit sie lernen „Nein“ zu sagen und ihre Situation analysieren können. In der Schule aktiv zu sein, ist ein guter Anfang.
Michaela gibt zu, ein schüchternes Mädchen gewesen zu sein. „Ich war so schüchtern und hatte sogar Angst, vor einer großen Menschenmenge zu sprechen.“ Dann übernahm World Vision die Patenschaft für ihre ältere Schwester Marie Mae, die daraufhin einen Kinderklub leitete, der sich für die Rechte von Kindern einsetzte. „Meine Schwester wurde meine Inspiration und mein Vorbild. Ich beobachtete, was sie bei World Vision und in der Schule tat, und beschloss, das Gleiche zu tun“, sagt Michaela.
Michaela überwand langsam ihre Angst, als sie die High School erreichte. Sie wurde ein aktives Mitglied in verschiedenen Schülerorganisationen und war schließlich Vorstandsmitglied und Moderatorin. Sie begann auch, an verschiedenen World Vision-Aktivitäten teilzunehmen, bei denen sie ihre Führungsqualitäten weiter ausbauen konnte. Zwei Erfahrungen mit World Vision, an die sie sich besonders gerne erinnert, sind die Schulung, an der sie das erste Mal andere Kinderleiterinnen und -leiter aus anderen Provinzen traf, sowie eine Schulung über HIV und Aids für Jugendliche in Batangas, weil sie dort zum ersten Mal rund 30 Kinder und Jugendliche betreute.
„Die Teilnahme an den World Vision-Aktivitäten hat mich viel gelehrt, z. B., dass man nie aufgeben darf, wenn man etwas im Leben erreichen will, dass man an sich selbst glaubt, dass man etwas erreichen kann, und dass man eine gute Führungspersönlichkeit sein muss, damit andere Kinder und Jugendliche dem guten Beispiel folgen“, berichtet Michaela stolz.
Sie hat nicht nur Selbstvertrauen entwickelt, sondern auch Wissen über die Rechte und Pflichten von Kindern erworben. „Ich denke, dass Kinderklubs eine Möglichkeit sind, Kinder darüber aufzuklären, wie sie nicht auf betrügerische Personen im Internet hereinfallen. Denn die Kinder wissen dann besser, wie sie sich schützen können.
Kinder und Jugendliche werden heutzutage süchtig nach dem Internet. Sie denken, dass alles, was online geschieht, in Ordnung ist.
Ein weiterer Weg, um zu verhindern, dass sie Opfer sexueller Ausbeutung im Internet werden, ist für Michaela eine gute und liebevolle Beziehung zwischen den Familienmitgliedern. Michaela wuchs in einer eng verbundenen Familie mit neun Kindern auf. Ihr Vater arbeitete als Hilfsbusfahrer. Nach seinem Tod wurde ihre Mutter zum Familienoberhaupt, eine schwierige Aufgabe für eine Frau, die früher zu Hause blieb und dafür sorgte, dass ihre neun Kinder und ihr Mann versorgt wurden.
„Meine Eltern haben uns gelehrt, stark zu sein. Ich habe gesehen, wie meine Mutter stark war, nachdem mein Vater gestorben war. Mein Vater hat uns, als er noch lebte, beigebracht, auf den eigenen Füßen zu stehen“, erzählt Michaela, die sich ab und zu die Tränen aus Trauer über den frühen Tod ihres Vaters vor sechs Monaten abwischt.
Da sie nun keinen Vater mehr haben, helfen die älteren Geschwister der Mutter, über die Runden zu kommen. Ihre ältere Schwester Marie Mae unterrichtet in Teilzeit jüngere Kinder im Dorf. Ihre älteren Brüder, die berufstätig sind, tragen nach Kräften zum täglichen Bedarf der Familie und zum Schulbedarf der jüngeren Geschwister bei. Von den neun Kindern gehen fünf noch zur Schule.
Wie man sich online schützen kann
Angesichts der großen und weit verzweigten Familie kommuniziert Michaela mit ihnen über das Internet. „Das ist eines der guten Dinge, die das Internet mit sich bringt: Wir können mit unseren Lieben aus der Ferne sprechen. Außerdem können viele Kinder leicht online über Themen recherchieren, die mit ihren Schulaufgaben zu tun haben, vor allem jetzt, wo es wegen Corona keinen Präsenz-Unterricht gibt.“ Einige Kinder und Jugendliche neigen laut Michaela jedoch dazu, mehr im Netz zu tun. „Kinder und Jugendliche werden heutzutage süchtig nach dem Internet. Sie denken, dass alles, was online geschieht, in Ordnung ist. Das ist aber nicht gut. Sexuelle Ausbeutung kann auch mit Naivität beginnen“, sagt sie.
Deswegen gibt sie Kindern und Jugendlichen ein paar Tipps mit auf den Weg. „Es gibt zwei Ratschläge, die ich meinen Freundinnen und Freunden immer mitteile. Erstens: Gib niemals dein Passwort weiter. Und zweitens: Gib niemals deine persönlichen Daten online weiter. Ich kenne einige Jugendliche, die ihre Facebook-Passwörter und Informationen an ihre Freunde oder Freundinnen weitergeben, was keine gute Sache ist, denn wer weiß, was dann passiert.“
Michaelas Leidenschaft, Wissen beizubringen, ließ sie den Entschluss fassen, eines Tages Pädagogik zu studieren und Lehrerin zu werden. „Es macht mir Spaß, Kinder zu unterrichten. Es macht mich glücklich zu sehen, dass sie von dem lernen, was ich weitergebe.“