02.04.2020

Lesbos: Das Mädchen im Dschungel

Im Lager Moria leben tausende Kinder in drangvoller Enge

Autor: Dirk Bathe

Rohas Welt ist klein. Zwei Meter sind es vom Zelt bis zum ihrem einzigen Spielgerät – einem Drahtgestell, auf dem ihre Mutter Humayra die wenigen Wäschestücke der fünfköpfigen Familie trocknet. Roha ist 17 Monate alt und lebt mit drei Geschwistern und ihrer Mutter im Lager Moria auf Lesbos. Sie kommen aus Afghanistan und sie suchten Schutz vor der Gewalt in ihrem Land.Jetzt hausen sie in einem Zelt aus Plastikplanen, schlafen auf einer dünnen Filzdecke und in drangvoller Enge.

Das eigentliche Lager ist eine Militäranlage und ausgelegt für 3.000 Menschen. Jetzt leben hier über 20.000 Geflüchtete auf engstem Raum, rund um die Anlage, in Olivenhainen. Diesen Außenbezirk nennen die Bewohner den „Dschungel“. Denn hier gibt es nichts, was die Zivilisation ausmacht: keinen Strom, kein Wasser, kaum medizinische Versorgung. Seit der Coronakrise ist das Leben in Moria noch bedrückender geworden. Das Lager ist weitgehend abgeriegelt, die Bewohner können es nur selten verlassen. Wachleute im Lager selbst wurden abgezogen, vor allem für Frauen und Mädchen eine gefährliche Situation. Sexuelle Übergriffe sind häufig, ebenso Messerstechereien unter den frustrierten Jugendlichen.

Übersicht Lager Moria auf Lesbos
Das Lager Moria auf Lesbos
Kinder im Lager Moria auf Lesbos
Etwa 1.000 unbegleitete Minderjährige gibt es im Lager

Eine Oase, ein Ort, der Perspektiven und Abwechslung vom Lageralltag bot, war das unweit vom Lager gelegene Gemeindezentrum der NGO „One Happy Family“. Hier konnten Kinder die „Schule des Friedens“ besuchen, wurden mit gesundem Essen versorgt und konnten im „Repair Cafe“ handwerkliche Fähigkeiten entwickeln. In einem Gartenprojekt zogen Geflüchtete eigene Kräuter und Gemüse heran. Das Gemeindezentrum diente auch als Informationsquelle, hier hätten die Lagerbewohner Hinweise zum Coronavirus bekommen können.

In der Nacht zum 8. März brach ein Feuer auf dem Gelände aus, viele Gebäude wurden zerstört, darunter auch die Schule. Die Polizei vermutet Brandstiftung, zwei junge Männer wurden festgenommen. Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ befürchten, dass unter diesen Umständen die Bewohner des Lagers einem Ausbruch des Coronavirus schutzlos ausgeliefert sind. „Social Distancing“ ist schlicht unmöglich, wenn fünf, sechs Menschen in Zelten mit drei Quadratmetern Fläche zusammenleben. Zudem gibt es keine Seife, keinen Mundschutz. Besonders bedrohlich ist die Lage für die etwa 1.000 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen, die im Lager ohne familiären Schutz leben. Ihre einzige Hoffnung ist die umgehende Evakuierung des Lagers und die Verteilung der Geflüchteten auf aufnahmewillige Länder in Europa.

Es ist Abend im Lager Moria auf Lesbos. Roha klammert sich noch immer an das provisorische Wäschegestell. Sie zieht sich hoch, lässt sich fallen, zieht sich wieder hoch. Ihre Mutter ruft sie ins Zelt. Die Nacht wird kalt.

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