Südsudan: Flüchtlingskinder gehen im Camp zur Schule
Von Mark Nonkes
Die einzige Zukunft, die Nyamal sich vorstellen konnte, wurde ihr gestohlen: ihre Rinder. Die Angreifer kamen während des Tages. Gewehrschüsse krachten durch die Luft. Die Räuber trieben ihre geliebten Langhornrinder zusammen und führten sie fort. Es gab keine Möglichkeit, um sie zu kämpfen, keine Möglichkeit sie zu beschützen.
„Ich habe mich um das Vieh gekümmert. Ich brachte sie morgens raus, ich molk die Kühe und ich hütete die Herde,” erinnert sich die 13-Jährige. Rinder sind eine Währung im Südsudan. An der Größe einer Herde wird der Reichtum einer Familie gemessen. Sie sind ein Erbe und Nahrungsquelle bei Festen. Sie prägen Liedertexte und mit ihnen werben junge Männer um ein Mädchen.
Als sie uns das Vieh nahmen, blieben wir mit leeren Händen zurück.
Nicht lange nach diesem Angriff wurde die Lage für Nyamals Familie immer schlechter. Der Konflikt im Südsudan erreichte ihr Dorf. Das Mädchen wurde einer von vier Millionen Flüchtlingen, die gezwungen waren, von zuhause zu fliehen seit der Konflikt 2013 ausbrach. „Als die Krise kam und die Kämpfe unser Dorf erreichten, litten wir sehr”, erinnert sie sich. „Meine Stiefmutter hatte erst ein Baby bekommen und wir mussten zu Fuß flüchten. Wir rannten weg, wir liefen in den Busch,” erzählt Nyamal.
Flucht in ein gesichertes Camp
Das Mädchen und ihre Familie rannten tagelang. Sie kamen schließlich nach Juba, der Hauptstadt Südsudans, und fanden Zuflucht in einem Camp, geschützt von der UN. Ein Ort, an dem sie vor den Unruhen, unter denen ihr Land leidet, sicher waren. Das war vor vier Jahren.
Die Flüchtlingsfamilie ist im Camp geblieben, weil die Gewalt noch immer nicht verebbt ist. Sie zählen zu den über 100.000 Menschen im Südsudan, die in verschiedenen von der UN gesicherten Flüchtlingslagern im eigenen Land leben. World Vision verteilt als Partner des Welternährungsprogrammes Nahrungsmittel in den UN-Camps. Das gibt Kindern wie Nyamal die Chance, sich auf ihre Bildung zu konzentrieren, anstatt ihre Familie darin zu unterstützen, Einkommen zu verdienen.
Bildung schafft Zukunft
Trotz der schwierigen Umstände kann Nyamal sich heute wieder eine Zukunft vorstellen. „In unserem Dorf wollte ich in die Schule, aber es gab keine. Als ich dann hier in den Unterricht gehen konnte, war ich richtig glücklich, weil ich lernen und neue Freunde finden konnte”, berichtet das Mädchen. In ihrer Schule im Camp lernen 3.000 Schüler in Klassenzimmern mit Wänden aus Bambus. Sie lernen lesen und schreiben, diskutieren naturwissenschaftliche Themen und wie sie ihre Zukunft gestalten können.
Wenn du zur Schule gehst, werden die Dinge normal.
Heute ist Nyamal eine starke Befürworterin von Bildung und überzeugt andere Kinder, auch zur Schule zu gehen: „Ich will es der ganzen Welt erzählen: Lasst uns zur Schule gehen. Lasst uns den Kindern helfen, zur Schule zu gehen und ihren Abschluss zu machen. Für ihre eigene Zukunft hat Nyamal den Himmel im Blick: „Ich will Pilotin werden”, plant sie.
„Bildung eröffnet Kindern Möglichkeiten zu träumen, ihren Horziont zu erweitern. Wir haben mehr als 50.000 Kindern im letzten Jahr geholfen, Schulbildung zu bekommen. Wir wollen noch mehr für sie tun gemäß unserem Ziel, die Zukunft der am meisten gefährdeten Kinder zu schützen. Wir wollen weiterhin mithelfen, eine Generation anzuleiten, ihr Potenzial durch Bildung auszuschöpfen,” fasst World Vision Mitarbeiter Moses Omara vor Ort zusammen.