Die Arbeit von World Vision hat auch eine geistliche Dimension. Der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in aller Welt ist eine Ausdrucksform tätiger christlicher Nächstenliebe. "Angedacht" möchte Ihnen einen kurzen Impuls aus der "World Vision-Welt" in Ihren Alltag mitgeben. Viel Freude beim Lesen!
Komm schnell, er ist hier!
von Dr. Matthias Höhne, Teamleiter Operatives Finanzmanagement bei World Vision Deutschland
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.
Liebe Leserin, lieber Leser,
Während der sonnigen Tage vor Ostern besuchten meine Frau und ich zum ersten Mal seit vielen Jahren einen Zoo in unserer Nähe. Auf dem Weg zum Gehege des Sumatra Tigers begegnete uns eine Mutter, die sichtlich erschöpft ihre drei quicklebendigen kleinen Töchter begleitete. Diese hüpften und sprangen um sie herum und rannten dann voller Begeisterung zu einer großen Glasscheibe, die das Tigergehege abtrennte. Ihre süßen Stupsnasen pressten sich voller Neugierde, Erwartung und Vorfreude an das dicke Glas während ihrer Augen umherschweiften und den Tiger suchten. Doch weder im Bambuswäldchen oder auf dem kleinen Sandweg noch hinter den dicken Steinen konnten sie ihn entdecken.
Enttäuscht drehten sie sich zur Mutter um und riefen ihr mit traurigen Stimmen zu: „O, Nein! Er ist nicht hier.“ Halbherzig versuchte die Mutter, sie zu trösten und murmelte etwas wie, „Naja, vielleicht ist es schon zu spät, vielleicht ist er wo anders.“ Als ob sie nur auf dieses Signal gewartet hatte, rief plötzlich die älteste Tochter ihren kleinen Geschwistern zu: „Kommt, lass uns weitersuchen!“ Wie elektrisiert stürmten sie in Windeseile zur nächsten Glasscheibe auf der anderen Seite des Geheges.
Einen Augenblick herrschte Stille. Vollkommene Stille. Überraschende Stille. Dann überschlugen sich die Stimmen. „Mama, wir haben ihn gesehen. Wir haben ihn gefunden, Mama! Mama, komm schnell, er ist hier.“ Ihr ungestümer Jubel, die von Herzen kommende Freude und ihre echte Begeisterung waren einfach ansteckend. Alle Enttäuschung war vergessen im Angesicht der Freude, ihn gefunden und gesehen zu haben.
Doch nun ist Ostern vorbei. Wieder überschlagen sich unaufschiebbare Meetings, unerwartete Probleme und unerledigte E-Mails. Den ganzen Tag sitze ich vor dem Computer, schaue auf meinen Computer und rede mit meinem Computer. Wehmütig spüre ich wie mir echte Gemeinschaft, spontaner Austausch auf dem Flur und die wohltuende Nähe meiner Kolleginnen und Kollegen fehlt. Die Pandemie hat vieles, manches sogar unwiderruflich, verändert.
Unwiderruflich verloren, so schien auch den Frauen am Grab der gekreuzigte Jesus. Das leere Grab, war für sie kein Zeichen der Freude, sondern des Verlustes, des Abschiednehmens, und der Trauer über Vergangenes. Erst als die Engel ihnen zuriefen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden,“ brach eine unbändige Osterfreude durch. Er ist hier, wir haben ihn gefunden, kommt schnell. Der Jubelruf der drei kleinen Mädchen wird für mich zur Osterpredigt. Ja, ich muss Liebgewonnenes und Vertrautes loslassen. Aber im erwartungsvollen Staunen über den auferstandenen Herrn Jesus Christus finde ich ihn, der jeden Tag bei mir, um mich, und in mir ist. Nun kann auch ich jubelnd ausrufen: „Christus, du der auferstandene Herr bist bei mir alle Tage bis an der Welt Ende“, (Matt. 28:20). Die Realität der Gegenwart Christi taucht alles in ein neues strahlendes Licht der Freude und verändert alles, auch wenn ich weiter vor meinem Computer sitze.
Von guten Taten und der Rede vom "Weltgericht"
von Dirk Jacobs, Leiter Marketing Kommunikation bei World Vision Deutschland
Ich sage euch: Was immer ihr an einem meiner Brüder zu tun versäumt habt – und wäre er noch so gering geachtet gewesen – , das habt ihr mir gegenüber versäumt.
Liebe Leserin, lieber Leser,
neulich bin ich beim Lesen der Bibel mal wieder auf beunruhigende Weise an Jesu Rede vom Weltgericht hängengeblieben. Öffnet dieses Gleichnis nicht einer Theologie der Werkgerechtigkeit Tor und Tür?
Auch ein Blick in meine „Wuppertaler Studienbibel“ konnte mich nicht zufrieden stellen. Dort lese ich im Kommentar: „Könnte man nicht sogar die Frage so formulieren, dass soziale Tätigkeit, natürliche allgemeine Menschenliebe, Nächstenliebe zur Seligkeit genüge?“ Und: „Wir werden den Sinn des Wortes vom Völkergericht nicht bis ins Letzte lösen können.“ Natürlich glaube ich als Christ gerade nicht, dass gute Taten zur Seligkeit genügen. Gleichzeitig frage ich mich, ob wir in unserer heutigen Art der Ablehnung von Werkgerechtigkeit nicht auf der anderen Seite vom Pferd gefallen sind.