Ausblick von einer schon teilweise renaturierten Landschaft in Äthiopien

Dem Traum einer wieder grünen Welt ein Stück näher

Tony Rinaudos Reaktion auf den Alternativen Nobelpreis
Autor: IrisManner  | 
24. September 2018
Autor: IrisManner

Noch immer sind viele Menschen der Meinung, dass man nur mit Baumpflanzungen verdorrte Regionen wieder fruchtbar machen kann, aber ich selbst musste die schmerzliche Erfahrung machen, dass dies allein selten die Lösung ist. In den 1970er Jahren habe ich im Niger Tausende von Bäumen angepflanzt und musste mit ansehen, dass die Mehrheit in der sengenden Hitze vertrocknete oder für Brennholz und Unterkünfte verwendet wurden. Bäume in trockenen Landschaft zu pflanzen, stellte sich meist als teurer Fehler heraus. 

Wälder sind für das Wohlergehen von Menschen und Ökosystemen unerlässlich, denn Sie liefern nicht nur Viehfutter, Brennstoffe und Bauholz, sie schützen uns auch vor den extremen Auswirkungen des Klimawandels, wie Dürren und Überschwemmungen, denn ihre Wurzeln speichern Wasser und halten Böden fest. Vertrocknete Wasserquellen sprießen wieder und manche Flüsse führen nun ganzjährig Wasser. Wälder sind wie Supermärkte, denn sie liefern Früchte, Gemüse und Wurzeln, sowie Medizin. Wildtiere und Vögel kommen zurück und Bienen finden wieder genug Blüten für die Honigproduktion. Bäume auf Ackerflächen verbessern sogar die Bodenfruchtbarkeit und das Mikroklima, erhöhen die Ernteerträge, die Futterverfügbarkeit und die Produktivität der Tiere. 

Aber wie kann man einige der ärmsten Menschen in Hungerregionen davon überzeugen, dass sie keine Bäume fällen sollten, wenn sie dringend Brennholz zum Kochen brauchen? Wie kann man sie davon überzeugen, dass sie künftig nichts mehr zu essen haben, wenn der letzte Baum gefällt ist? Und was kann man tun, wenn eine extensive Baumpflanzung nicht funktioniert?

Als ich vor etwa 40 Jahren im Niger mit Wiederaufforstung begann, war ich kurz davor aufzugeben. Eines Tages fuhr ich durch die Wüste und als ich ausstieg, um Luft aus den Reifen zu lassen, um in dem weichen Sand besser fahren zu können, bemerkte ich, dass überall kleine Sträucher aus dem Boden wuchsen. Nach der Untersuchung des Bodens stellte ich fest, dass im Wüstensand tatsächlich ein "unterirdischen Wald" mit gesunden Baumwurzeln verborgen lag. Seit vielen Jahren hatten die Menschen die jungen Triebe immer wieder verbrannt, abgeschnitten und vernachlässigt. Trotz dieser Behandlung versuchten die Wurzeln immer wieder aufs Neue auszutreiben. Wie ein Blitz durchfuhr es mich und mir kam mir die Erkenntnis, wie Wiederaufforstung funktionieren könnte. Ich konnte einige Dutzend Bauern in Niger davon überzeugen, diesen unterirdischen Wald auf einem Teil ihrer Farmen wachsen zu lassen und wiederzubeleben. Damit die jungen Triebe zu kräftigen Bäumen heranwachsen konnten, schnitten wir einige der Triebe zurück und ließen nur die kräftigsten stehen. Diese wuchsen dann sehr schnell zu neuen, kräftigen Bäumen heran. Dieser Technik gaben wir den Namen Farmer Managed Natural Regeneration oder kurz FMNR. Die Methode ist einfach, sehr effektiv und kostet wenig. Sie funktioniert sogar in manchen Dürreregionen, in denen es mehrere Jahre nicht geregnet hat, wie wir z.B. in Somaliland sehen konnten.

Warum es bei der Bekämpfung von Hungersnöten um Bäume geht

Die Technik verbreitete sich schnell durch Mundpropaganda von Dorf zu Dorf. Sechs Millionen Hektar Wald sind auf 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Niger bis heute wieder gewachsen (Gray Tappan, US Geological Survey, 2016). Die verbesserte Bodenfruchtbarkeit und das Mikroklima haben die Pflanzenproduktion so stark erhöht, dass die Landwirte nun 2,5 Millionen Menschen zusätzlich im Niger ernähren können! Auch ihr Einkommen hat sich verdoppelt. Beeindruckende Satellitenbilder aus dem All zeigen, wie sich die einst karge Landschaft verändert hat.

Agrarökonom Tony Rinaudo demonstriert afrikanischen Landwirten und ihren Familien wie sie aus Baumstümpfen neue Bäume heranziehen können.
Lucia und ihr Mann können dank Agroforstwirtschaft und FMNR täglich etwas ernten.

Ähnlich spannende Ergebnisse haben wir in Äthiopien, Indonesien und Teilen Ugandas gesehen. Die Bauern, die mich einst als den verrückten, weißen Australier bezeichneten, sind heute selbst engagierte Verfechter der FMNR-Methode und führen Schulungen für ihre Kollegen durch. Doch noch immer ist dieses Wissen nicht genug verbreitet und noch zu viel Skepsis vorhanden. Daher reise ich viel in Regionen, in denen Wälder wieder repariert werden müssen und versuche, Skeptiker zu überzeugen, in FMNR zu investieren und Vorurteile, alte Ideen und Fehlinformationen zu bekämpfen. Manche können nicht glauben, dass es so einfach ist, Wälder wieder wachsen zu lassen und argumentieren, dass es einfach mehr Regen war, der diese Transformation verursacht hat. Doch das ist nicht wahr - der Hauptgrund für diese massive Wiederbegrünung ist die Arbeit von Millionen von Kleinbauern, die diesen innovativen Ansatz umgesetzt haben. Heute gibt es im südlichen Drittel des Niger, in der Nähe der Sahara, mehr Bäume als in den benachbarten Distrikten Nigerias auf der anderen Seite der Grenze, wo die Niederschläge höher sind.

Mein Traum ist es, dass FMNR nun überall dort eingesetzt wird, wo die Menschen leiden und Kinder hungern, weil es kein Grün mehr gibt, weil die Erde verdorrt ist und die Böden ausgelaugt sind.  Keine Methode ist geeigneter, Wälder schneller und kostengünstiger wieder aufzuforsten. 
Es ist wichtiger denn je, dass humanitäre Helfer auch die Folgen von Wetterkatastrophen in den Blick nehmen. Wissenschaftler prognostizieren, dass sich die weltweiten landwirtschaftlichen Erträge bis 2050 aufgrund von Klimawandel und Bodendegradation halbieren werden (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services). In der Folge hätte dies mehr Dürren zur Folge und besonders die Bauern hätten unter den Auswirkungen zu leiden. Viele Menschen mehr wären abhängig von Hilfsmaßnahmen. 

Aber wir können das verhindern und wir wissen, wie es geht. Wir müssen unsere überholten und altmodischen Denkweisen verändern.