Es geht vorwärts

Karibu Kenya!

Ein Reisebericht von Ann-Christin Georg

Seit einem Jahr betreue ich Kenia im Team Sponsorship Operations. Als meine Chefin mir mitteilte, dass ich sie auf eine Reise nach Kenia begleiten darf, habe ich mich sehr gefreut. Da ich noch nie in Afrika war, war die Aufregung groß. Wir hatten geplant, mehr über die Wirkung unseres Kinderrechtsprojektes und der Friedensbildung in Marigat zu erfahren. Außerdem wollten wir unser neues Projekt Lokis besuchen.

Besuch einer Schule in Kenia
Unterwegs auf den Straßen Kenias

Zuerst besuchten wir unser auslaufendes Projekt Marigat. Nach einigen Stunden Fahrt durch wunderschöne Landschaften und einem kurzen Zwischenstopp im Projektbüro in Marigat kamen wir abends in unserer Unterkunft an.

Früh am nächsten Morgen ging es über verschiedene Schotterpisten zu unserer ersten Station. Unser erster Halt war eine Grundschule, wo wir von den Mädchen in ihrer Unterkunft empfangen wurden. Die Unterkunft konnte mit Hilfe von World Vision gebaut werden. Dort finden vor allem Mädchen ein  Zuhause, die sich geweigert haben, an der Mädchenbeschneidung teilzunehmen. Anschließend wurden wir offiziell von jungen Frauen begrüßt. Sie sind ehemalige Beschneiderinnen und Mitglieder der CBO (Community based organisation), einer ortsansässigen Organisation, die in Zusammenarbeit mit World Vision Aufklärungsarbeit und Hilfe für Betroffene anbietet. Wir haben so viele und wichtige Aspekte dieses brisanten Themas aus erster Hand erfahren können. Besonders beeindruckt haben mich die starken ehemals betroffenen jungen Frauen, die nun ihrerseits die jüngere Generation lehren und ihnen zur Seite stehen.

Wir möchten niemanden von uns abhängig machen, sondern die Kompetenzen und Fähigkeiten der Menschen wecken und ihnen helfen, diese einzusetzen.

Nun ging es zu der nächsten Schule. Wieder wurden wir von Mädchen begrüßt, die für uns tanzten und sangen, diesmal in Englisch. Es ging darum, dass die Mädchen wunderschön gemacht sind. Welch eine wunderbare Botschaft für diese jungen Mädchen. Nur wenn sie wissen, dass sie etwas wert sind und Rechte haben, können sie für diese auch einstehen! Danach erzählte uns ein ehemaliger Lehrer, ein Mitglied der CBO, von den Erfolgen, die in der Zusammenarbeit mit World Vision zustande kamen. Auch wenn sich World Vision aus dem Gebiet zurückzieht, wird die CBO weiterhin sehr engagiert sein, für die Rechte der Mädchen einstehen und Aufklärungsarbeit unter der Bevölkerung leisten. Mit den Schulungen von World Vision konnten sie den Anfang machen und möchten dies nun weiterführen. Unsere Mitbringsel, aufblasbare Bälle, wurden von den Kindern mit Begeisterung aufgenommen.

Weiter ging es zu einer Spargruppe, die leider auf uns warten musste, da die Uhren in Kenia doch etwas anders gehen und somit der Tagesablauf durcheinander geraten war. Nichtsdestotrotz erzählte uns eine der Damen begeistert von ihrer Arbeit. Die Mitglieder der Gruppe wurden von World Vision in einkommensfördernden Maßnahmen geschult. Ein Teil des erwirtschafteten Geldes wird zusammengelegt, um größere Projekte zu starten oder Kredite zu vergeben. Diese Gruppe konnte sich zum Beispiel Motorräder anschaffen, die gegen Geld weiter vermietet werden. Die Dame erzählte uns, dass sie eigentlich kein gutes Englisch spricht. Das war für uns überhaupt nicht zu bemerken, da sie selbstbewusst von ihrer Arbeit erzählte. Dies ist für mich auch einer der vielen Erfolge, die man vielleicht so schnell übersieht. Menschen lernen selbstbewusst vor Gruppen vorzutragen und begeistert für ihre Sache einzustehen.

Besuch einer Schule in Kenia
Bewässerungssystem

Am nächsten Morgen waren wir wieder früh unterwegs. Leider war mir etwas schwindelig. Allerdings wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mehr über unsere Projekte zu erfahren. Daher hieß es Zähne zusammenbeißen. Wieder waren wir lange unterwegs, bis wir in Mukutani ankamen. Der Ortsvorsteher zeigte uns das Bewässerungssystem, das von der Projektbevölkerung genutzt wird, um Mais zu bewässern. Bei diesem Projekt kommen Menschen aus unterschiedlichen Stämmen zusammen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Diese Stämme haben früher nur von ihren Tieren gelebt. Dadurch sind sie oft in Streit über Weideplätze geraten. Durch die gemeinsame Arbeit und die Erträge aus dem Maisanbau, die auch als Einkommensquelle dienen, hat sich das Verhältnis zwischen den Ethnien erheblich verbessert. Mein Kollege machte mich auf einen älteren Herrn aufmerksam, der abseits von den Gruppen saß.  Dieser war einer der Ältesten und ihm wird immenser Respekt entgegengebracht. Sein Wort hat Gewicht: Wenn er „ja“ sagt, wird es gemacht und wenn er „nein“ sagt, wird es nicht gemacht. Das war sehr interessant für mich und vor diesem Hintergrund ergibt es auch Sinn, warum es so wichtig ist, besonders die Ältesten immer mit in die Projektarbeit einzubinden und Projekte mit ihnen zu besprechen.

Maisanbau in Kenia

Zurück ging es in das Dorf, wo uns von Frauen aus dem Stamm der Pokot ein Lied zur Begrüßung gesungen wurde. Herzklopfen bekam ich, als die Frauen auf uns zukamen und uns zum Mittanzen aufforderten. Aber dazu hatte ich keinen Grund, sie waren nett, herzlich und nahmen uns direkt in ihre Mitte auf. Sie alle setzen sich gegen Mädchenbeschneidung ein. Eine der Damen erzählte, dass sie gegen den Willen ihres Mannes ihre Mädchen nicht beschneiden ließ und somit alleine für sie sorgen musste. Wir hörten die Berichte von vier jungen Frauen, die sich gegen die Beschneidung entschieden haben und nun zum Teil sogar in Nairobi auf die Universität gehen. Ihrem vorgeschriebenen Weg – Beschneidung – frühe Heirat – Kinder und Ehe wurde eine Alternative hinzugefügt. Welch ein Vorbild für die anderen Mädchen im Dorf! Danach gab es einen weiteren Tanz, bei welchem wir wieder mittanzen durften.

Obwohl ich mich mit vielen Frauen nicht verständigen konnte, fühlte ich mich sehr wohl und war tief beeindruckt von diesen starken und mutigen Frauen.

Am nächsten Tag fuhren wir zu unserem neuen Projekt Lokis, wieder über beschwerliche Pisten. Ich war sehr dankbar über unseren erfahrenen Fahrer und das Auto, das die zum Teil steilen Pisten sehr gut gemeistert hat. Gegen Mittag kamen wir im Projektbüro in Lokis an und konnten dort die Kollegen kennen lernen. Weiter ging es gemeinsam zu einer Schule, die mit Hilfe von World Vision gebaut wird. Auch dort wurden wir mit Tanz und Liedern empfangen und direkt eingebunden. Der Chief erzählte uns, dass drei neue Klassenräume gebaut werden und wir die Grundsteine legen dürfen. Welch eine Ehre! Zusammen mit einem der Kinder, meiner Kollegin aus Lokis, sowie einem der Ältesten legte ich somit die Grundsteine für eine der Klassenräume. Ein tief berührendes Erlebnis, was deutlich macht, wie viel man erreichen kann, wenn alle zusammenarbeiten.

Schule in Lokis
Grundsteinlegung in Lokis

Nachdem ich mit den Kindern ein wenig Fußball gespielt hatte, ging es schon wieder zurück. In den nächsten Tagen fuhren wir nicht mehr in die Gemeinden, sondern gaben unseren Kollegen aus dem National Office sowie aus den Projekten Schulungen und klärten offene Fragen mit Ihnen. Eine tolle Möglichkeit die Kollegen, mit denen ich täglich E-Mail-Kontakt habe, kennen zu lernen. Durch diese Reise ist mir nochmal bewusst geworden, dass es nicht ausreichend ist, ein Gebäude zu errichten. Noch wichtiger ist die Ausbildung der zukünftigen einheimischen Mitarbeitenden. Warum zum Beispiel die Beschneidung gesundheitliche und soziale Nachteile für die Bevölkerung nach sich zieht oder wie wichtig Schulbildung ist, um dem Kreislauf aus Armut und Gewalt zu entkommen. Diese „Denkanstöße“ sind nur der Anfang und werden sicherlich lange Wege in das Bewusstsein der Menschen zurücklegen, sind aber essentiell für eine starke und gesunde Gemeinschaft.

Natürlich sieht man einen Erfolg schneller, wenn man zum Beispiel eine Schule oder einen Brunnen baut. Aber besonders die Aufklärungsarbeit und Trainings, um den Menschen vor Ort Wissen und Kompetenzen zu vermitteln, sich selbst zu helfen, sind einfach unerlässlich. Ich bin dem Herrn und World Vision dankbar, dass ich dies alles sehen und erfahren durfte. Und auch Ihnen, unseren Paten, möchte ich, auch im Namen der Menschen vor Ort, ganz herzlich danken. Ihr Beitrag macht wirklich einen Unterschied. Im Leben der einzelnen Kinder, aber auch im Leben der Gemeinden. Haben Sie herzlichen Dank! Asante Sana!

Alles in Allem war es eine wunderbare Reise. Dafür bin ich unglaublich dankbar!