Bericht von Birgid Schnorbusch-Lutz
Vor etwa drei Jahren entschloss ich mich, Patin für ein Kind bei World Vision zu werden. Da wir familiäre Beziehungen nach Peru haben, war bald klar, dass es ein Kind aus dem Andenstaat sein sollte. In diesem Jahr verbrachte meine 18-jährige Tochter einige Monate in Peru, da bot sich für mich die Gelegenheit, meine beiden Kinder – das eigene und das Patenkind – zu besuchen.
Peru ist ein faszinierendes Land, das ich vor vielen Jahren bereits kennen lernte. Im März machte ich mich auf die Reise. In der Hauptstadt Lima empfing mich meine Tochter Clara und schon am übernächsten Tag stiegen wir in den Bus, der uns ins südliche Hochland nach Ayacucho brachte. Ayacucho ist eine hübsche Kolonialstadt mit mehr als 30 Kirchen, aber einer traurigen Geschichte, denn dort lag das Zentrum der Maoistischen Organisation Leuchtender Pfad, die in den 1980er Jahren einen blutigen Terror über das ganze Land verbreitete. Von unserem Hotel aus meldeten wir uns bei Juan, dem Mitarbeiter von WV, der uns am nächsten Tag abholte, um gemeinsam mein Patenkind Eduardo zu treffen.
Eduardo ist 7 Jahre alt und lebt mit seiner Familie im etwa drei Stunden Autofahrt entfernten Quinoa, einem kleinen Bergdorf. Dort wurden wir im Büro von WV schon erwartet. Der Moment, als der kleine Junge, den ich nur vom Foto kannte, auf mich zukam, rührte mich sehr. Schüchtern begrüßte er mich auf Spanisch. Da ging plötzlich die Tür auf und herein kam – der gleiche Junge noch einmal! Was ich nicht wusste – Eduardo hat einen Zwillingsbruder, der ganz genau so aussieht, wie er. Die Überraschung war gelungen.
Mit Eduardos Mutter, den beiden Jungen und drei sehr engagierten und netten Mitarbeitern von WV starteten wir unser Tagesprogramm. In der Grundschule, die Eduardo und sein Bruder Angelo besuchen, lernten wir seine Mitschüler und die Lehrerin kennen. Die ganze Klasse stand auf, als wir das Klassenzimmer betraten und begrüßte uns mit einem lauten „Buenos dias Senora!“. Eduardo war heute der Star des Tages. Man konnte ihm ansehen, wie stolz er darauf war, dass alle erfuhren, dass seine Patin aus dem fernen Deutschland gekommen war, um ihn zu besuchen und er und sein Bruder, dafür extra einen Tag schulfrei bekamen. WV-Mitarbeiter Juan erzählte, dass jährlich nur etwa fünf oder sechs von insgesamt 17.000 Patenkindern in der Region in diesen Genuss kommen. WV kümmert sich darum, dass Kinder wie Eduardo regelmäßig die Schule besuchen und Juan schaut regelmäßig nach der geistigen wie körperliche Entwicklung der Patenkinder. Wir erfuhren von den Schulprojekten und bestaunten die neu eingerichtete Schülerbibliothek.
Nächste Station war eine weitere Einrichtung für kleinere Kinder, die ebenfalls zum Projekt von WV gehört. Auch hier wurden wir rührend empfangen und herumgeführt und alles wurde uns erklärt und gezeigt. Die Kleinen sangen für uns ein Lied und überreichten uns einen großen Blumenstrauß. Zum Dank sangen Clara und ich ein deutsches Lied – die Kleinen kicherten und applaudierten. Das Eis war sehr schnell gebrochen.
Ein weiterer Höhepunkt, nicht nur für meine Tochter und mich, war der Hühnerhof von Señora Alejandra. Die umtriebige Peruanerin hatte mit einem Kredit von WV ihr eigenes kleines Unternehmen gegründet und erzählte stolz, wie weit sie es bereits gebracht hat. Eduardos Mutter bekam große Augen und man merkte ihr an, dass die Erzählungen der Kleinunternehmerin sie sehr beeindruckten.
Vielleicht schenke ich Eduardos Mutter zu Weihnachten ein paar Hühner. Sie hat ja jetzt bei der Señora mit dem Hühnerhof gesehen, wie man mit Engagement und der Unterstützung von WV selbständig werden kann – auch als Frau im stark von Männern dominierten Südamerika.
Eduardo taute im Laufe des Tages merklich auf. Wir unterhielten uns sehr gut auf Spanisch und stellten schnell fest, dass sich er und sein Bruder zwar äußerlich wie ein Ei dem anderen gleichen, vom Wesen her aber sehr unterscheiden. Edi, der schüchterne und Angelo, der eher draufgängerische, beide sehr liebe Kinder.
Die Mitarbeiter von WV und Edi und seine Familie haben meiner Tochter und mir einen unvergesslichen Tag bereitet, der zu einem der Höhepunkte unserer Reise wurde. Der Abschied fiel schwer, aber wir gingen mit dem guten Gefühl, dass die Patenschaft nicht nur für das einzelne Kind, sondern für die ganze Familie Gutes bewirkt. Vielleicht schenke ich Eduardos Mutter zu Weihnachten ein paar Hühner. Sie hat ja jetzt bei der Senora mit dem Hühnerhof gesehen, wie man mit Engagement und der Unterstützung von WV selbständig werden kann – auch als Frau im stark von Männern dominierten Südamerika.