26.03.2021

"Wie vom Unglück verfolgt"

Helfer zur Lage der Rohingya nach Großbrand im Flüchtlingslager

Autor: Iris Manner

Die Sonne brennt in diesen Tagen stechend heiß in Cox' Bazar, und in mehreren Lagern der Rohingya gibt es keine Bäume mehr, die Schatten spenden könnten. Es riecht zudem nach Asche und nach Verbranntem, seit am 22 März nachmittags ein Feuer ausbrach. 

Das Feuer verbreitete sich durch starken Wind rasend schnell. Auf einer Fläche, die laut UN Women ungefähr der Größe von Darmstadt oder Regensburg entspricht, wurden rund 10.000 Unterkünfte von ca. 45.000 Menschen zerstört. Auch diejenigen, die jetzt nicht obdachlos sind, leiden unter den gewaltigen Schäden, denn es wurden auch Trinkwasser-Pumpen und Waschanlagen, Toiletten, Versorgungspunkte für Essen, eine Klinik, ein Markt und mehrere Lernzentren zerstört. 

"Leicht war das Leben in den Lagern nie", räumt World Vision's  Nothilfe-Leiter in Cox' Bazar, Fredrick Christopher ein. "Nach drei Jahren unermüdlicher humanitärer Hilfe gab es aber wenigstens eine Basisversorgung und Anzeichen der Hoffnung bzw. der Erholung von den Tragödien Flucht aus Myanmar." Nun seien aber alte Wunden neu aufgebrochen und viele Betroffene fühlten sich wie vom Unglück verfolgt. 
 

Zehntausende Rohingya-Flüchtlinge, darunter auch diese Frau und das Mädchen, sind seit dem Großbrand am 22. März 2021 obdachlos und haben keinen Besitz mehr.
Im Rohingya-Flüchtlingslager brannten neben Unterkünften auch Gemeinschaftseinrichtungen, Wasserversorgungsnetzwerke und Waschgelegenheiten ab.
Eine ganze Nacht lang konnte Anwar (Mitte) ihre Kinder nicht finden, als alle vor dem Feuer im Rohingya-Lager flohen.
Anwars Mann konnte bei dem Großbrand seine Eltern retten.
Im Rohingya-Lager herrscht jetzt großer Wassermangel. Mädchen neben einer zerstörten Wasserstelle.

"Ich bereitete gerade das Essen für den Mittag vor. Die Kinder spielten draußen vor dem Haus. Plötzlich riefen sie "Feuer! Feuer!", erzählt Anwara, (27), eine noch stillende Mutter, die das Feuer zunächst von weitem sah. "Ich dachte, es würde nicht so weit zu uns kommen. Aber in kürzester Zeit erreichten die Flammen unsere Unterkunft  und wir rannten alle weg. In dem Chaos sah ich meine fünf Kinder plötzlich nicht mehr. Ich rannte wie verrückt auf der Straße herum und suchte nach ihnen.  Ich habe nicht einmal bemerkt, dass mein Haus abbrannte. Die ganze Nacht war ich wie eine Verrückte und habe laut nach ihnen geschrien. Mein Mann kam dazu und wir weinten bei der Suche, konnten aber bis zum Morgen keine Spur finden. Ich konnte nicht essen, bis ich meine Töchter und Söhne gefunden hatte. Ich dachte, sie seien gestorben."

Eltern gerettet - Kinder vermisst

Zia-ur, 32, Anwaras Ehemann, hatte zunächst versucht beim Löschen des Feuers zu helfen. Er sah aber schnell, dass es aussichtslos war. "Dann eilte ich zurück, um meine Familie und Kinder zu retten, aber sie waren nicht da", erzählt er. "Meine betagten Eltern waren noch da, sie konnten sich nicht bewegen. Ich brachte  sie an einen sichereren Ort, aber ich konnte nicht von dort zurückkommen, während sich das Feuer  ausbreitete. Wir hatten Angst, zu sterben. Gleichzeitig waren wir besorgt, ob wir unsere vermissten Kinder finden. Diese schreckliche Nacht schien kein Ende zu nehmen." 

Wie berichtet wurde, starben einige Kinder tatsächlich, weil sie dem Feuer nicht entkamen. Andere werden noch vermisst.

Zur großen Erleichterung von Anwara und Zia-ur stellte sich am nächsten Morgen heraus, dass ihre Kinder neben dem Lager Zuflucht im Haus eines Bekannten gesucht hatten. Von ihrem eigenen Haus ist nur Asche übrig. Mit einer Plane hat sich die Familie etwas Schutz vor der Sonne und einen notdürftigen Schlafplatz geschaffen.  Anwara hofft sehr, dass von den Hilfsorganisationen vor Ort schnell Hilfe kommt, denn "jetzt haben wir keine Kleidung, kein Essen, keinen Kochtopf, kein Geschirr, kein Bett und nicht einmal eine Kanne, um Wasser zu trinken."

 

Die Wirkung des Feuers war jenseits aller Vorstellung für die, die so etwas noch nicht erlebt hatten.
Fredrick Christopher, Nothilfe-Leiter von World Vision in Cox' Bazar, Bangladesch

Auch die in den Lagern arbeitenden World Vision-Teams waren laut Fredrick Christopher beim Anblick des Feuers und der Panik vieler Menschen schockiert. Manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigten sogar selbst Hilfe, um den Schock zu überwinden. Dennoch war  World Vision bereits in der Nacht im Einsatz, um die Not der verängstigten und in alle Himmelsrichtungen geflohenen Menschen zu lindern. 

Wie wir bisher helfen konnten: 
 

  • Rund 50.000 Menschen konnte World Vision seit dem 23. März täglich mit gelieferten warmen Mahlzeiten versorgen, dank einer Zusammenarbeit mit dem UN-Welternährungsprogramm. Wegen der Hitze soll die Essenszubereitung demnächst in einer Großküche in den Lagern erfolgen.
  • Unser WASH-Team besorgt und verteilt Trinkwasser, repariert Brunnen und stellt Not-Latrinen auf.
  • Einige unserer Lern-und Spiel-Zentren werden als Notunterkünfte genutzt.

Wir möchten bei ausreichender finanzieller Unterstützung gerne

  • die Ernährungssituation weiter verbessern, auch durch gezielte Verteilung von energiereicher Nahrung für Schwangere und Kleinkinder bzw. durch Ruheräume für stillende Mütter
  • den Aufbau neuer Unterkünfte zB mit Material und Werkzeugen unterstützen
  • Waschstationen errichten und Hygiene-Pakete sowie Masken verteilen, um Krankheiten vorzubeugen.
  • Kinderbetreuungs- und Lernangebote machen und die Gemeinschaft für Schutz-Maßnahmen sensibilisieren, da besonders Kinder und Frauen jetzt noch mehr Schutz benötigen. 
World Vision-Nothilfe nach Großbrand im Rohingya-Flüchtlingslager
Essensausgabe von World Vision an Familien, die nach dem Feuer selbst nichts mehr kochen können
Für alte Menschen ist die Lage nach dem Großbrand im Flüchtlingslager besonders schwierig.
Ältere Menschen wie die 65jährige Nur leiden besonders unter der schwierigen Versorgungslager. "Das Essenspaket hilft uns sehr, da wir nichts zum Kochen haben", sagt sie.

In Cox's Bazar leben auf sandigen Hügeln ca. 880.000 Rohingya, Angehörige einer muslimischen Minderheit, die 2017 aus Myanmar nach Bangladesch flüchteten. Es ist ihnen nicht erlaubt außerhalb der Lager zu siedeln und sie dürfen offiziell auch nicht arbeiten. In den Lagern sind die Menschen Immer wieder von Wirbelstürmen und Erdrutschen in der Monsunzeit bedroht, aktuell zudem von COVID-19. Durch den Brand hat sich ihre Situation noch weiter verschlechtert. 

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