
Welche Welt hinterlassen wir unseren Kindern?
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Staatsvertreter,
vor einigen Wochen bin ich zum 2. Mal Großmutter geworden. Meine Enkelinnen sind zwei goldige Mädchen, die ich sehr liebe. Sie sind gesund und hatten das Glück, in einem reichen Land geboren zu werden.
Seit mehr als 11 Jahren arbeite ich nun für die Kinderhilfsorganisation World Vision. Einige Länder habe ich im Rahmen von Pressereisen besucht und viel mit den Menschen vor Ort geredet. Die Regionen, die man als Mitarbeiterin von World Vision bereist, liegen meist abseits von allen Touristenorten. Ich habe gesehen, was meine Kollegen vor Ort leisten, aber ich habe auch gesehen, wie Kinder in diesen Regionen leiden.
Seit mehreren Jahren dauert die Hungerkrise in Ostafrika schon an. Die Berichterstattung darüber ist abgeflaut. „Hunger in Afrika“ bringt keine Quote. Rund 15 Millionen Kinder sind immer noch von der Krise betroffen, mehr als 800.000 von ihnen so schwer unterernährt, dass sie zu verhungern drohen. Weltweit hungern etwa 815 Millionen Menschen.
Auch die Katastrophe in Ostafrika ist vom Klimawandel beeinflusst. In Somalia, Somaliland, Äthiopien oder Kenia veröden ganze Landstriche. Bauern erzählten mir, dass es früher alle 10 Jahre eine Dürre gab, aber darauf hätten sie sich einstellen können. Heute komme es immer schneller zu solchen extremen Wetterereignissen und darauf könne man sich nicht mehr einstellen. Früher wären die Jahreszeiten vorhersehbar gewesen, die Aussaat musste zu einer bestimmten Zeit erfolgen und wann geerntet werden konnte, sei auch klar gewesen – in der Regel…
Heute spielt das Wetter in vielen Regionen der Erde verrückt. Zu Zeiten und in Gegenden, in denen es eigentlich trocken sein sollte, regnet es und umgekehrt verbrennt die Sonne die jungen Triebe, wenn es eigentlich regnen sollte.
Auf dem Klimagipfel in Bonn geht es wieder einmal darum, wie der Klimawandel aufgehalten werden kann. Es gibt viele Diskussionen um CO2 Emissionen, den Ausstieg aus der Kohleindustrie, alternative Energien etc. – alle diese Themen sind wichtig.
Doch eigentlich geht es um die Kinder und deren Kinder. Was für eine Welt hinterlassen wir ihnen? Die Zeit vergeht schnell - wie wird unsere Welt aussehen, wenn meine und ihre Kinder und Enkelkinder erwachsen sind?
Auch ihr Politiker und Staatschefs, die ihr euch in Bonn versammelt, habt Kinder und ihr seid Großmütter oder Großväter. Wenn ihr denkt, „nach mir die Sintflut“ – ok, vielleicht ist euch die Erde egal, vielleicht ist euch egal, wie es Kindern in anderen Regionen der Erde geht, aber ist Euch auch egal, was aus euren Nachkommen wird?
Einfach aus dem Abkommen, dass auf dem Klimagipfel in Paris beschlossen wurde, auszusteigen, gilt nicht. Ihr alle habt im Jahr 2015 in New York auch die Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) unterschrieben. Viele dieser Ziele können nur erfüllt werden, wenn das Pariser Abkommen sehr schnell und effektiv umgesetzt und wenn den ärmsten Ländern dabei geholfen wird.
World Vision bekämpft in seinen Projektregionen die grundlegenden Ursachen von Kinderarmut und Klimakatastrophen. Dies wird erreicht, indem z.B. alternative Ackerbaumethoden angewandt, regenerative Wiederaufforstung und Existenzgrundlagen, sowie Bildung und Ausbildung gefördert werden, damit Familien sich wirtschaftlich entwickeln und so ihren Kindern eine Perspektive bieten können.
Ich wünsche den Politikern in Bonn viel Verhandlungsgeschick und Weisheit, damit zum Wohle der Kinder die Welt ein Ort wird, in der jeder die Chance auf ein erfülltes und glückliches Leben hat.
Liebe Grüße
Silvia Holten