Burundi: Viele Jugendliche erleichtert
Stefan Sengstmann ist Fachreferent Gesundheit und Leiter der Abteilung Qualitätssicherung bei World Vision Deutschland. Ende März kam er von einer Projektreise aus Burundi zurück.
Stefan Sengstmann: Bei meiner Reise ging es um ein von der EU gefördertes Projekt, bei dem wir vor allem Mütter, Jugendliche und junge Erwachsene zu Themen rund um Sexualität, Schwangerschaft, Verhütung und Familienplanung aufgeklärt haben und das jetzt nach drei Jahren zu Ende ging.
Warum wurde dieses Projekt gerade in Burundi durchgeführt?
Stefan Sengstmann: Burundi gehört zu den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt – und gleichzeitig zu den ärmsten. Frauen in Burundi bekommen im Laufe ihres Lebens im Schnitt 6 Kinder und das in zeitlich kurzen Abständen. Das hohe Bevölkerungswachstum bringt eine Reihe von Problemen mit sich: Jedes zweite Kind in Burundi ist chronisch unterernährt, die Müttersterblichkeit ist sehr hoch, die Mütter sind physisch schwach und die Kinder leiden an verschiedenen vermeidbaren Krankheiten…
…und trotzdem bekommen die Menschen viele Kinder.
Stefan Sengstmann: Ja, das hat eine Reihe von Gründen. Ein wichtiger ist, dass das Wissen um Verhütung vielfach nicht vorhanden ist. Und oft liegt es auch an den kulturellen Gepflogenheiten: Viele Kinder zu haben, ist für das Ansehen wichtig. An beiden Punkten haben wir mithilfe unseres Projektes angesetzt.
Welche Ziele wurden bei der Arbeit vor Ort verfolgt?
Stefan Sengstmann: Es ging um eine Verhaltensänderung in Sachen Verhütung und Familienplanung. Dafür haben wir auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig gearbeitet. Das beginnt bei der Aufklärungsarbeit einzelner Personen. Wir haben zudem die Gemeinschaft mit einbezogen: Bei Jugendlichen und Kindern andere Kinder und Jugendliche, aber natürlich auch die Eltern, die Lehrer und traditionelle und religiöse Führer. Nur wenn diese Gemeinschaft genauso aufgeklärt ist, ist die Arbeit mit dem Einzelnen erfolgreich.
Wir haben in diesem Projekt außerdem an den äußeren Umständen angesetzt und geprüft: Wie ist die Gesetzeslage z.B. für einen Aids-Test bei Minderjährigen? Wie sieht es aus mit kulturellen Verhaltensweisen? Wie ist die Infrastruktur? Kann man überhaupt z.B. Kondome bekommen? Und es hat sich gezeigt: Nur, wenn man auf allen diesen Ebenen gleichzeitig aktiv ist, kann man etwas bewirken.
Wie hat World Vision das vor Ort in die Tat umgesetzt?
Stefan Sengstmann: Für die verschiedenen Gruppen haben wir unterschiedliche Angebote entwickelt. Wir haben klassische Aufklärungsarbeit für Kinder und Jugendliche geleistet und Jugendliche geschult, die dann ihr Wissen an Gleichaltrige weitergeben. Wir haben Diskussionsgruppen gebildet, die kontroverse Themen rund um reproduktive Gesundheit besprechen, und es gab sehr viele Gespräche und Schulungen mit kirchlichen Vertretern und religiösen Autoritäten. Dass die Kirche sich mit dem Thema Bevölkerungswachstum und Verhütung beschäftigt, ist ein großer Erfolg.
Wir haben Paare gefunden, die nur ein oder zwei Kinder haben und anderen Paaren von ihren Erfahrungen berichten. Gleichzeitig haben wir auch die örtlichen Gesundheitsberater unterstützt und fortgebildet. Schließlich haben wir Netzwerke in den umliegenden Ländern gestärkt bzw. aufgebaut, damit man voneinander lernen kann.
Ganz wichtig war es, diese verschiedenen Ebenen miteinander zu verknüpfen, damit die Gesundheitsberater von den Diskussionsgruppen wissen und die Jugendlichen von den Gesprächen mit der Kirche und so weiter.
Bei deiner Reise ging es darum, zu sehen, ob das Projekt erfolgreich war. Wie beurteilst du die Ergebnisse?
Stefan Sengstmann: Die Umsetzung der Maßnahmen war zum Teil schwierig, weil es in Burundi in den vergangenen Jahren politisch sehr unruhig war, zum Teil mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Das hat unsere Arbeit natürlich erschwert.
Aber wir haben dennoch viele Erfolge vorzuweisen. Wir haben drei Schulen vor Ort besucht und es gab dort, seit das Projekt vor drei Jahren anlief, keine Teenager-Schwangerschaft mehr – an keiner der Schulen. Und wir haben es geschafft, dass die Kirche in Burundi anfängt, sich Themen wie Verhütung zu öffnen. Bei den Jugendlichen, mit denen wir gesprochen haben, habe ich darüber eine sehr große Erleichterung gespürt. Auch die Gesundheitsberater erzählten uns, dass sie vorher durch ihre Arbeit zu Verhütung und Aufklärung stigmatisiert wurden und heute nicht mehr.
Ist World Vision auch in anderen Ländern mit ähnlichen Projekten aktiv?
Stefan Sengstmann: Ja, wir haben in unseren Entwicklungsprojekten oft Maßnahmen zur Familienplanung und Müttergesundheit mit dabei.
Kritische Stimmen sagen, dass generell in Ländern, in denen die Bevölkerung rasch wächst, Entwicklungshilfe nicht greifen kann. Wie beurteilst du das?
Stefan Sengstmann: Das ist eine sehr starke Pauschalkritik. Tatsächlich ist es so, dass Entwicklungszusammenarbeit sehr komplex ist und viele Faktoren eine Rolle spielen. Es gibt immer wieder Situationen, auf die wir keinen Einfluss haben, wie politische Entwicklungen oder Naturkatastrophen, und die zu Rückschlägen führen. Wenn man gute Konzepte hat, aber auf eine korrupte Regierung trifft, kann man nur sehr wenig machen.
Aber gerade dieses Projekt zeigt uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Und auch in unseren Entwicklungsprojekten, bei denen es vorrangig darum geht, Kindern eine gute Schulbildung zu geben oder Menschen gesundheitlich besser zu versorgen, sehen wir, dass im Bereich Verhütung und Familienplanung ein Umdenken stattfindet.