
Mentale Gesundheit von Katastrophenopfern muss gestärkt werden
Seelische Not Überlebender immer wichtigerer Faktor in der Nothilfe
Friedrichsdorf, (26.05.2025) – Was nach einem Rettungseinsatz kommt, bleibt für die Öffentlichkeit oft unsichtbar. Die psychische Unterstützung von Menschen in Notsituationen wird oft nur am Rande erwähnt und erhält nur einen geringen Anteil öffentlicher Zuschüsse, der den weltweit steigenden Bedarf nicht decken kann. Sie wird in der humanitären Hilfe zugleich immer wichtiger. Darauf macht die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision zum Monat der psychischen Gesundheit” aufmerksam. Noch bis Ende Mai will dieser Aktionsmonat weltweit das Bewusstsein für die Bedeutung mentaler Gesundheit schärfen.
Ob nach dem Tsunami 2004, dem Erdbeben in Haiti oder jüngst dem Erdbeben in Myanmar: Überlebende solcher Katastrophen leiden nicht nur unter physischen Verletzungen, Hunger und Durst, sondern oftmals auch unter großen psychischen Belastungen. Wenn sie damit allein gelassen werden, haben sie schlechtere Chancen, ihre Notsituation zu bewältigen. Sorgen um das eigene Überleben, Trauer um Angehörige, der plötzliche Verlust von Hab und Gut und ungewisse Zukunftsaussichten können lähmend sein, im schlimmsten Fall auch Hoffnungslosigkeit und Resignation auslösen. Psychisches Wohlbefinden kann dagegen viele Kräfte freisetzen: es ermöglicht den Menschen Stress zu bewältigen, Widerstandsfähigkeit aufzubauen, produktiv zu arbeiten und ihre Familien und Gemeinschaften zu unterstützen.
Psychologische Ersthilfe: Traumatisierung rechtzeitig erkennen und psychische Belastungen reduzieren
World Vision hat die psychosoziale Unterstützung in Krisen- und Katastrophen-Einsätzen stark ausgebaut. Hierbei stehen besonders Kinder und Jugendliche im Fokus. Bei World Vision Deutschland betreut Gabriela Degen diesen Arbeitsbereich. Sie hat in der Praxis beobachtet, dass vor allem jüngere Kinder oftmals nicht verstehen können, warum ihre Welt zerbrochen ist. „Die Auswirkungen von Katastrophen, Konflikten und schleichenden Krisen wie dem Klimawandel können das Wohl von Kindern auch langfristig beeinträchtigen“, weiß Gabriela Degen „Dann haben sie zwar zum Beispiel durch die Lieferung von Hilfsgütern das eigentliche Desaster überlebt. Aber langfristig leiden sie an schulischen Misserfolgen, an Vereinsamung oder auch an der Unfähigkeit, Konflikte friedlich auszutragen.“ Wichtig sei es vor allem, Traumatisierungen rechtzeitig zu erkennen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Um in Regionen mit mangelnder Gesundheitsversorgung schnell helfen zu können, hat World Vision weltweit über 7.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in psychologischer Ersthilfe ausgebildet. In Mutter-Kind-Räumen vermitteln solche lokalen Helfer Frauen mit Kleinkindern zum Beispiel ein Gefühl der Sicherheit. Sie unterstützen sie auch dabei, wieder Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen. Gabriela Degen: „Unser Erfolg misst sich daran, wie wir Menschen darin bestärken, ihre eigene Zukunft zu gestalten. Wie sie neue Hoffnung und Kraft finden. In Krisenzeiten kann die Verbesserung der psychischen Gesundheit ein Leben verändern.“

Besonders belastet sind Kinder und Jugendliche in Regionen, die zugleich von Konflikten und Katastrophen getroffen wurden, wie in Nordwestsyrien, wo ein Erdbeben im Februar 2023 rund 8.500 Menschen getötet und mehr als 5.600 verletzt hat. Dort ergab eine Umfrage von World Vision, dass mehr als die Hälfte der befragten Kinder unter Albträumen, tiefsitzenden Ängsten bis hin zu Selbstmordgedanken litten. Vielen Mädchen und Jungen konnte bereits durch Entspannungs- und Gesprächsangebote wirksam geholfen werden. In anderen Fällen arbeiteten Sozialarbeiter mit Schulen zusammen, um dort Hilfen zur Traumabewältigung zu integrieren. Psychosoziale Unterstützung erhielt auch der 11jährige Nader*, der den Schock des Erdbebens zusätzlich zu einem schweren Unfall und den Tod seines Vaters verkraften musste. Ihm geht es heute wieder besser: „Ich mag meine Schule sehr und möchte gerne Arzt werden, damit ich mich um Menschen kümmern kann, die wie ich verletzt wurden
Vor allem in Ländern mit wie Afghanistan, der Ukraine, den palästinensischen Autonomiegebieten, der DR Kongo und Myanmar rückt die psychosoziale Betreuung in den Fokus. „Wir arbeiten dabei viel mit lokalen Experten, aber auch mit internationalen Organisationen als Partnern “, berichtet Gabriela Degen. "Zum Beispiel im Westjordanland, wo wir zusammen mit 'Juzoor for Health & Social Development' ein Programm für Jugendliche mit psychischen Belastungen aufgebaut haben.“ Dort kümmern sich Fachkräfte um 10 bis 15-jährige Kinder, die unter Depressionen und Angstzuständen leiden. Eltern und Bezugspersonen werden mit einbezogen. In Gruppensitzungen werden Probleme benannt und Lösungswege erarbeitet. In dem von der WHO entwickelten Programm EASE werden Jugendliche auch dazu ermutigt, gemeinsam eigene Ideen zur Verbesserung ihrer Situation umzusetzen. Gabriela Degen: „Diese Kriseninterventionen zeigen messbare Wirkungen, in dem sie dabei helfen das Erlebte hinter sich zu lassen, Schmerz zu bewältigen und Zuversicht zu stärken. So können die Kinder sich wieder auf Neues einlassen und an ihre Zukunft denken“.
*Name zum Schutz des Kindes geändert