Das Entsetzen über die Explosion und die Trauer über die Zerstörung ihrer Hauptstadt sitzen den Menschen im Libanon noch tief in den Knochen. Die Katastrophe hat ein Land erschüttert, das bereits am Boden lag. Viele Familien wissen nicht, wie es für sie weitergehen kann, ob sie nicht bald sogar hungern müssen. Vor allem in den Vororten der libanesischen Hauptstadt leben viele in Armut. Wer schon vor der Detonation im Hafen wenig hatte, dem bleibt nun noch weniger. Und die Corona-Ansteckungen im Katastrophengebiet steigen.
Huwaida will als Mutter gerne eine zuversichtliche Trösterin sein und weiß doch selbst nicht wie es weitergeht. Sie lebt mit ihrem syrischen Mann in Ras Al Naba'a, einem Gebiet am Stadtrand. Auch sie kann das traumatische Erlebnis bisher nur schwer verarbeiten. Sie erzählt: „Mein Sohn und ich saßen im Wohnzimmer. Plötzlich hörten wir ein seltsames Geräusch. Es war wie ein Donner. Dann hörte ich es noch einmal, aber lauter. Schnell stand ich auf und zog meinen Sohn zu mir. Plötzlich kam eine gewaltige Druckwelle; das Fenster über uns brach ein. Ich versuchte, meinen Sohn zu schützen. Zusammen mit seiner Schwester rannte er dann nach unten.“
Ihre eigenen Verletzungen habe sie zunächst nicht gespürt, berichtet Huwaida. „Die waren mir zu dem Zeitpunkt egal. Ich habe mich nur um die Sicherheit meiner Kinder gekümmert.“ Auch der neunjährige Ahmad ist noch geschockt von dem, was am Abend des 4. August passiert ist. „Ich dachte, es wäre ein Blitz. Alles fiel auf uns herunter. Ich hatte wirklich Angst“, sagt er.
Die Familie litt schon zuvor unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise, der politischen Unruhen und der Corona-Pandemie. Zur Schule ging Ahmad schon vor Schließung der Schulen nicht mehr. Er leidet an Asthma und Schilddrüsenproblemen. Doch der Junge lernt trotzdem weiter – von Zuhause. „Ich habe online über das Handy meiner Mutter gelernt. Und ich habe mit meiner Lehrerin gesprochen. Sie hat die Hausaufgaben am Telefon gesendet.“ Was fehlt, sind die anderen Kinder: „Ich vermisse meine Freunde und ich liebe sie alle.“
Wir sind alle traumatisiert.