12.06.2020

Corona: Gewalt an Kindern nimmt zu

Zuhause ist kein sicherer Ort

Author: UBauer

In 177 Staaten wurden während der Corona-Pandemie landesweit Schulen geschlossen, um die Verbreitung von COVID-19 zu verlangsamen. Betroffen sind davon 73 Prozent aller Schüler auf der ganzen Welt. Sie sollen zuhause bleiben – mit der Absicht, sie zu schützen. Doch viele Jungen und Mädchen wurden in einem Zuhause isoliert, das für sie nicht sicher ist.

Bis zu 85 Millionen Kinder mehr von Gewalt betroffen

Durch die Coronakrise könnte die Gewalt gegen Kinder in den nächsten drei Monaten um 20 bis 32 Prozent steigen. Bis zu 85 Millionen weitere Mädchen und Jungen weltweit könnten als Ergebnis der Quarantänemaßnahmen durch COVID-19 unter emotionaler, körperlicher und sexueller Gewalt leiden. Besonders betroffen sind Kinder, die bereits Gewalt erfahren haben, behindert sind oder unter schwierigen Bedingungen leben – in Armut, wirtschaftlicher Not, in unsicheren Lebensumständen oder einem Konflikt. Leider ist das Zuhause nicht für alle Kinder ein sicherer Ort.

Durch Kontaktsperren sind viele Familienmitglieder mit gewalttätigen Menschen isoliert.
Dana Buzducea, Advocacy-Direktorin bei World Vision International
Leeres Klassenzimmer einer Schule im Südsudan
Wegen der Ausgangssperren fällt die Schule und die Schulspeisung aus. Viele Familien haben durch COVID-19 ihr Einkommen verloren und kämpfen täglich gegen den Hunger.
Zwei Kinder sehen aus einem geschlossenen Fenster
Bis zu 85 Millionen Kinder zusätzlich könnten wegen der Coronabeschränkungen von Gewalt betroffen sein.

Mehr Schläge, mehr Kinderehen, mehr Kinderarbeit

Seit in vielen Ländern Quarantänemaßnahmen in Kraft getreten sind, haben Kindesmissbrauch und Gewalt an Kindern bereits zugenommen. In Bangladesch zum Beispiel untersuchten landesweit verschiedene Institutionen, darunter auch World Vision, die Auswirkungen der Pandemie und den Hilfe-Bedarf. Dabei zeigte sich, dass Schläge durch die Eltern oder andere Betreuungspersonen um 42 Prozent zugenommen haben. Auch gab es deutlich mehr Anrufe bei der Notfall-Nummer für Kinder, 40 Prozent mehr Jungen und Mädchen suchten hier Hilfe.

Verschärft wird die aktuelle Lage dadurch, dass Angebote zum Kinderschutz während der Pandemie nur wenig oder überhaupt nicht zum Tragen kommen. Schulen und soziale Einrichtungen können betroffene Kinder derzeit nicht so schützen und unterstützen wie sie es sonst tun.

Welche Formen der Gewalt zum Tragen kommen, hängt unter anderem vom Geschlecht und den Lebensumständen des Kindes ab: Während Jungen vor allem körperlicher Gewalt ausgesetzt sind und langfristig von Kinderarbeit bedroht sind, ist es bei Mädchen eher sexuelle Gewalt und Frühverheiratung.
 

Langfristige Auswirkungen der Krise

Doch die Gewalt bedroht Kinder weltweit nicht nur aktuell, vielmehr wird die Pandemie langfristig Auswirkungen haben. Weil Existenzgrundlagen von Familien sich auflösen, werden sie andere Formen von Einkommen finden müssen, auch wenn diese das Kindeswohl verletzen. Vier Millionen Mädchen mehr als gewöhnlich könnten deshalb in den nächsten zwei Jahren verheiratet werden. 

Es besteht die Gefahr, dass für viele Kinder die Dinge nie wieder ‚normal‘ werden, und Millionen von Mädchen und Jungen in Gewaltzyklen gefangen bleiben.
Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland

Wie hilft World Vision?

Seit Ausbruch der Pandemie hat World Vision zum Schutz der Kinder eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. So wurden Gemeindeschutzkomitees gegründet, Gesundheitskräfte der Gemeinde darin geschult, Zeichen häuslicher Gewalt zu erkennen und anzusprechen, religiöse Respektspersonen überzeugt, sich für ein Ende gefährlicher Praktiken wie Genitalverstümmelung und Kinderheirat einzusetzen, und Eltern in positiver Erziehung ohne Gewalt geschult.

Mädchen aus der Mongolei mit Maske

Kinder müssen vor Gewalt geschützt werden

Weil die Bewegungsfreiheit in vielen Gebieten eingeschränkt ist, setzen wir neue Technologien ein und nutzen unser bereits bestehendes großes Gesundheitsnetzwerk. Wichtig ist dabei, dass World Vision auch direkt mit den Kindern arbeitet und ihnen erklärt, wie sie sich selbst schützen und ihre Freunde unterstützen können.

Bislang konnten wir dadurch seit Ausbruch der Pandemie:

  • 392.100 Kinder durch Kinderschutzprogramme unterstützen.
  • 684.200 Kinder, Eltern und betreuende Personen mit Informations-, Bildungs- und Kommunikationsmaterial versorgen.
  • 14.700 Menschen in den Gemeinden, darunter auch religiöse Respektspersonen, in Sachen Kinderrechte und -schutz weiterbilden.
  • 9,7 Millionen Kinder mit Gesundheitsvorsorge und anderer Nothilfe unterstützen.
Arzt in Sambia beim Händewaschen
Cosmas Minyoi Kalwizhi vom Mumbwa Bezirkskrankenhaus in Sambia arbeitet mit Gemeinden vor Ort, damit Kinder im Bezirk vor Gewalt geschützt sind.
Mitarbeiter mit Maskenschutz bei einer Lebensmittelausgabe in Sambia.
Gesundheitshelfer werden ausgebildet und verteilen Hilfsgüter wie Seife und Nahrungsmittel an betroffene Familien.

Hilf uns mit einer Spende, wo Hilfe am dringlichsten gebraucht wird.

Innovative und kindgerechte Hilfsmaßnahmen: Beispiele Bangladesch und Mongolei

Farzana (15) aus Bangladesch hilft anderen Kindern in Corona-Zeiten per Smartphone.

Farzana aus Bangladesch leitet ein Kinderschutzforum. In der Zeit des Lockdowns bleibt sie mit den anderen Kindern viel über das Handy und Social Media in Kontakt.

Farzana aus Bangladesch steht via Handy mit anderen Kindern in Kontakt

Sie prüft auch Fälle von Gewalt gegen Kinder und ist mit den örtlichen Behörden in Kontakt.

Farzana aus Bangladesch zeigt einem kleineren Kind richtiges Händewaschen.

Zusätzlich gibt die 15-Jährige ihr Wissen, z. B. wie man richtig Hände wäscht, auch ganz praktisch an Kleinere weiter.

Farzana aus Bangladesch im Gespräch mit einer Frau aus der Nachbarschaft

Hier ist sie in der Gemeinde unterwegs und klärt über Risiken von COVID-19 und Schutzmaßnahmen auf.

Auch in der Mongolei hat sich World Vision rasch an die neue Situation der Ausgangssperren angepasst. Es wurden neue Maßnahmen für Kinderschutz entwickelt, da geplante Aktivitäten und Schulungen für Kinder und Familien angesagt werden mussten. So haben wir zum Beispiel das Brettspiel „Hero Game“ entwickelt, bei dem alle Mitglieder einer Familie zusammen spielen können. Sie verbringen gemeinsam Zeit, haben Spaß und lernen gleichzeitig über Kinderrechte und positive Erziehung. Zusammen mit Desinfektionsmitteln und Verhaltensregeln bei COVID-19 wurde das Spiel an über 300 Haushalte verteilt. Zusätzlich hat World Vision an über 7.000 gefährdete Familien Lebensmittelpakete ausgegeben.

Kind in der Mongolei
World Vision ist auch und besonders in der Krise für die Kinder vor Ort aktiv.
Familie in der Mongolei spielt gemeinsam das World Vision Brettspiel.
Das eigens entwickelte Spiel „Hero Games“ bringt die Generationen zusammen.

Hilf auch du mit, Kindern ihre Kindheit zu erhalten.

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