Statt Arbeit endlich wieder zur Schule
Jesmin war erst acht Jahre alt, als sie anfing, zu arbeiten: Bis zu sieben Stunden täglich in einem privaten Haushalt in Bangladesch. Geschirr spülen, beim Kochen helfen, Kleidung waschen und mehr. Drei Mahlzeiten am Tag bekam sie dafür als Lohn.
„Nach der zweiten Klasse ging ich nicht mehr zur Schule, weil meine Familie kein Geld hatte,“ erzählt die heute 14-Jährige. Jesmins Vater arbeitet als Tagelöhner und verdiente nicht genug, um für die große Familie zu sorgen. Sie lebte mit ihren Eltern und ihren fünf Brüdern in sehr ärmlichen Verhältnissen. Wie wichtig Schulbildung für Kinder ist, wusste man in ihrer Familie nicht.
„Bei der Hausbesitzerin, für die ich arbeitete, bekam ich keine Pausen. Ich arbeitete den ganzen Tag durch,“ berichtet Jesmin.
Es war schlimm für mich, wenn ich meine Freunde sah, wie sie spielten oder zur Schule gingen.
Eines Tages hörte sie von einem Bildungszentrum für arbeitende Kinder, das World Vision unterstützt. Es folgten viele Gespräche der Mitarbeiter unseres Projekts mit den Eltern und auch mit Jesmins Arbeitgeberin. Beharrlich setzten sie sich für das Recht von Kindern auf Bildung ein. Erst dann erlaubte Jesmins Arbeitgeberin, dass sie - zusätzlich zu ihrer Arbeit – täglich die Abendkurse im Bildungszentrum besuchen durfte.
„Für mich war es ein großes Privileg, wieder lernen zu dürfen. Ich bin sehr glücklich, dass ich diese Chance bekommen habe,“ sagt Jesmin. Sie konnte wieder den Unterricht besuchen und traf dabei auch ihre Freunde.
„Erst seit ich wieder lernen durfte, habe ich einen Sinn im Leben gesehen. Ich habe die Unterrichtsstunden genossen und verstanden, dass das Leben ohne Bildung bedeutungslos ist,“ erklärt die 14-Jährige. Nachdem sie die Kurse besucht hatte, wechselte sie in die fünfte Klasse der regulären Grundschule. Hier hat sie die Aufnahmeprüfungen für die weiterführende Schule bestanden und geht dort in die sechste Klasse.
Heute verstehen die Eltern von Jesmin, wie wichtig Schulbildung ist und schicken ihre Kinder nicht mehr zur Arbeit. Zur Sicherung des Einkommens hat World Vision die Familie mit einer Ziege unterstützt. Die Ziege soll aufgezogen und auf dem Markt verkauft werden. Von diesem Geld will sich die Familie eine Kuh kaufen, die dann langfristig als zusätzliche Einkommensquelle dienen soll.
Jesmin und ihre Eltern sind sich heute über die Rechte von Kindern im Klaren und kennen auch die negativen Folgen von Kinderarbeit. Durch World Vision wurden die Eltern zudem über die Problematik von Frühverheiratungen aufgeklärt.
Jesmin ist sehr glücklich über diese Wendung in ihrem Leben. Sie will studieren und dann „eine richtig gute Lehrerin werden“. Und sie will arbeitende Kinder ermutigen, wieder zur Schule zu gehen.